Xxv. §. 5. Preußens Herrlichkeit unter Friedrich Ii. rc. 579
resia, Kaiser Franzi., aufbieten. Aber die erregte keinen Schrecken
mehr, sondern nur Spott und Heiterkeit. Seitdem das deutsche Reich
in Trümmer gegangen war, war auch die deutsche Kriegsverfassung,
mit der es nie sehr glänzend gestanden hatte, in völlige Nichtigkeit
aufgelöst. Nur Sachsen konnte für Preußen noch gefährlich werden,
weil das sächsische Gebiet so tief in das Herz des preußischen Staa-
tes hineinragte. Deshalb galt auch die erste Unternehmung Fried--
rich's der sächsischen Armee, die er gefangen nahm, und dem
sächsischen Lande, welches er unter preußische Verwaltung stellte.
(Der katholische Kurfürst August Iii. sammt seinem katholischen Mi-
nister Brühl flüchtete zur Freude seiner Unterthanen nach Polen, des-
sen tief entwürdigte Königskrone schon der Vater Augustii. um den
Preis des Confessionswechsels 1697 sich erworben hatte.) Dann schlug
er die Oestreicher bei Lobositz und Prag, konnte sich aber doch
in Böhmen nicht halten, da er die Schlacht bei C oll in verlor. Die
übermüthigenfranzosen schlug er bei Roßbach, die Oestreicher aber-
mals bei Leuthen. Nur die Russen konnte er von seinem Ost-
preußen nicht abwehren, sie besetzten das ganze Land, sie rückten bis
an die Oder vor und bedrohten Berlin; sie ließen sich auch durch den
Sieg, den Friedrich bei Zorndorf über sie gewann, nicht zurück-
treiben, sondern vereinigten sich mit dem östreichischen Heere, das in
Schlesien stand, und warfen in der mörderischen Schlacht bei Kuners-
dorf 1759 Friedrich's ganze Armee auseinander. Und nun folgte
ein Unglück nach dem andern. Halb Schlesien, halb Sachsen, halb
Pommern, halb Brandenburg war in Feindes Händen, Ostpreußen
gehörte den Russen, in den rheinischen und westphälischen Besitzungen
Friedrich's schalteten die Franzosen. Die Engländer, welche mit
Geld und Truppen dem König im nordwestlichen Deutschland beige-
slanden hatten, fingen an sich zurückzuziehen; der Kern der preußischen
Armee lag auf den Schlachtfeldern begraben oder schmachtete in Kriegs-
gefangenschaft, die neu angeworbenen Recruten konnten das nicht lei-
sten, was Friedrich von seinen tapferen Veteranen zu fordern ge-
wohnt war, die Hülfsmittel des Landes waren erschöpft, der Schatz
leer, Friedrich oft nahe am Verzweifeln. Aber der Herr, der sich
an dem preußischen Staate und an Friedrich selber bis dahin so
hoch verherrlicht hatte, führte ihn nur deshalb in die Tiefe, um ihn
mit seiner allmächtigen Hand emporzuheben und zu Ehren zu bringen.
Nicht durch eigne Kraft würde Friedrich sein Ziel erreicht haben,
so herrliche Gaben er auch empfangen hatte, nicht die Siege bei
Liegnitz und bei Torgau vermochten ihn zu retten, sie dienten
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_Ii Friedrich Franzi August Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich Friedrich
Extrahierte Ortsnamen: Sachsen Polen Lobositz Prag Roßbach Berlin Schlesien Sachsen Brandenburg Deutschland Liegnitz Torgau
Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt. 627
abgebrochen wurden, als Oe streich sich entschieden auf die Seite der
Verbündeten stellte, und schon zog die große Hauptarmee unter dem
Fürsten Schwarzenberg aus Böhmen über die trennenden Berge
nach Sachsen hinein, um den heiligen Kampf im Verein mit den
Brüdern zum sieghaften Ende zu bringen. Und nun folgten die Sie-
gesnachrichten Schlag auf Schlag, und die dazwischen sich mengenden
Botschaften von einzelnen Verlusten und Niederlagen wurden immer
gleich wieder von neuem Siegesjubel überwogen. Blücher, der
deutsche Heldengreis, machte den Anfang mit seinem großen und
ruhmvollen Sieg an der Katzbach; die Generäle Oftermann und
Kleist von Nollendorf vernichteten die französische Heeresabtheilung
des Vandamme in der Ebene von Culm, wohin das böhmische
Heer sich nach der Schlacht bei Dresden wieder hatte zurückziehen
müssen. Bülow aber, mit der Beterschaar des theuren Vater Jä-
nicke hinter sich, schlug die gegen Berlin heranziehenden Marschälle
Oudinot und Ney erst bei Groß-Beeren, dann beidennewitz
mit der preußischen Landwehr so vollständig, daß dieser ganze Hee-
restheil fast aufgerieben wurde. Das geschah alles in den letzten Ta-
gen des August und Anfangs September. Es waren die Vorübun-
gen zu dem großen Kampf, der noch bevorftand gegen den Schlach-
tenmeister, den Napoleon selber. Der stand noch in Dresden und
versuchte es, während des September bald in Böhmen, bald in Schle-
sien einzudringen, bald rechts, bald links sich freie Bahn zu machen,
aber vergebens. Das Netz wurde fester und fester um ihn herumge-
zogen. Die drei Armeen, die bisher in Böhmen, Schlesien und nörd-
lich an der Elbe vertheilt gewesen waren, zogen jetzt von allen Seiten
heran, um sich bei Leipzig zu vereinigen. Blücher mit seinem schle-
sischen Heere stieß zur Nordarmee, suchte den zaudernden B er nadotte
mit sich fortzureißen, erzwang durch Aork's kühne Waffenthat bei
Wartenberg den Uebergang über die Elbe, und rückte dann von Nor-
den her, gleichwie Schwarzenberg von Süden her in die Ebene
von Leipzig. Auf diesen weitgestreckten Flächen, wo schon so manche
blutige Schlacht geschlagen war, sollte auch der große Entscheidungs-
kampf geschehen, da das in zwei feindliche Hälften zerspaltene Europa
einander gegenüber stand. Der Tag des Gerichts über den Verder-
der war endlich gekommen. Er fühlte seine Schläge schon im eignen
Herzen. Von Verzweiflung zum Trotz, von Hoffnungslosigkeit zum
Uebermuth hin und her schwankend, war er selbst seiner eignen Um-
gebung fürchterlich geworden. Nur mit finsterm Widerwillen oder
bangem Zweifel gehorchten ihm noch seine Generäle ; im ganzen Heere
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Extrahierte Personennamen: Schwarzenberg Bülow August Napoleon Schwarzenberg
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Sachsen Dresden Berlin Dresden Schlesien Leipzig Wartenberg Leipzig Europa
578 Xxv. §. 5. Preußens Herrlichkeit unter Friedrich H. ic.
denburgischen Fürsten auf Schlesien vor, die friedlichen Verhandlun-
gen über die Abtretung der beanspruchten Gebietstheile hatten nie zu
einem Ziele geführt, Oestreich würde die herrliche Provinz niemals
freiwillig herausgegeben haben, schon oftmals war von Waffengewalt
die Rede gewesen — jetzt nun, da die jugendliche Maria There-
sia die Regierung in den östreichischen Erblanden antrat, da von allen
Seiten sich Ansprüche an das östreichische Haus und Gebiet erhoben,
jetzt war die Zeit da, wo der entscheidende Schlag geschehen mußte,
und Friedrich zögerte keinen Augenblick, ihn zu führen. Man weiß,
wie es ihm gelang; wie durch die Schlachten von Mollwitz, spä-
ter von Hohenfriedberg, Sorr und Kesselsdorf im ersten
und zweiten schlesischen Kriege ganz Schlesien Friedrich's Eigen-
thum, eine der werthvollsten Perlen der preußischen Monarchie und
die breite Stufe geworden ist, auf welcher Preußen sich zu eitler Groß-
macht emporhob. Zwar gab es auch nachher noch Kämpfe; ja der
eigentliche Hauptkampf um Schlesien folgte erst im siebenjährigen Kriege
(1756—63). Da handelte es sich noch um mehr als um den Besitz
Schlesiens. Es handelte sich um die Zulassung Preußens in die Reihe
der großen europäischen Staaten. Weder Oestreich, noch Frankreich, noch
Rußland wollten sie ihm zugestehen, sie wollten Friedrich wieder zu einem
„Markgraf von Brandenburg" herabdrücken. Alle drei Staaten aber
waren damals von Weibern beherrscht, welche mehr ihr persönlicherhaß
gegeit den geistreichen und spottsüchtigen König als das Wohl ihres
Staates in's Feld trieb. Die lasterhafte Tochter Peter's des Gro-
ßen, Elisabeth von Rußland (1740—62), und die gemeine Mai-
tresse Ludwig's Xv. und Lenkerin Frankreichs, Marquise von
Pompadour, waren beide von den beißenden Stachelreden des Kö-
nigs schwer und wiederholt getroffen und hatten ihm Rache geschwo-
ren. Maria Theresia aber, die sonst ehrenwerthe Herrscherin
Oestreichs, hatte sich in ihrer gereizten Empfindlichkeit über Preußens
aufsteigende Machtentwicklung, Friedrich's Kriegesruhm und Schle-
siens Verlust so tief erniedrigt, daß sie mit der verworfenen Creatur
Freundschaft schloß, von der damals Frankreichs Entschließungen ab-
hingen. Und so erschienen denn auf den Befehl dieser drei Weiber
ein französisches Heer am Rhein, ein russisches Heer in Ostpreußen,
ein östreichisches an der schlesischen Grenze. .Auch Schweden, da-
mals nur noch ein Vasall Rußlands, mußte seine Regimenter wiederum
in Pommern aufmarschiren lassen, und that es gern in der Erinne-
rung an die Tage und Thaten des verflossenen Jahrhunderts. Selbst
die deutsche Reichsarmee mußte der Gemahl der Maria The-
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Extrahierte Personennamen: Friedrich_H. Friedrich Maria_There- Maria Friedrich Friedrich Mollwitz Hohenfriedberg Oestreich Friedrich Friedrich Elisabeth_von_Rußland Maria_Theresia Maria Theresia Oestreichs Maria
626 Xxv. §. 10. Deutschlands sittliche und politische Wiedergeburt.
Hoffnungsfreudigkeit zu stärken, schien lange Zeit Nichts mehr gelingen, ja
es schien Alles hinter sich gehen und einen noch schrecklichern Ausgang
nehmen zu wollen, als im ersten Kriege. Im März 1813 war der
Krieg an Frankreich erklärt und die vereinigten preußischen und
russischen Heere allmälig bis an die Elbe und nach Sachsen vor-
gerückt. Aber seitdem war den ganzen Sommer durch kaum etwas
Nennenswerthes geschehen, vielmehr schienen aller Orten Hindernisse
aufzusteigen. Der König von Sachsen sammt den übrigen Rhein-
bundfürsten wollten durchaus sich nicht entschließen, Napoleon's
Sache aufzugeben und es mit den Verbündeten zu halten (dafür
mußte sein Sachsenland dies Mal die Hauptlast des Krieges tragen
und später sich bis auf die Hälfte verkleinern lassen). Oe st re ich, das
so oft von Preußen und dem übrigen Deutschland schmählich im Stich
gelassen war, wo es den Kampf gegen Napoleon wagte, zögerte
lange, lange, ehe es sich zum Beitritt entschloß. Ein Haupttheil der
Armee, unter den Oberbefehl des schwedischen Kronprinzen (Ver-
nadotte) gestellt, der sich durch seine Mitwirkung, statt des an Ruß-
land verlorenen Finnland, Norwegen von den Dänen erwerben sollte,
war durch seinen übelwollenden Führer fast zur Unthätigkeit gezwun-
gen und griff mehr hemmend als fördernd ein. Unter den russischen
und preußischen Befehlshabern zeigte sich Uneinigkeit und kleinliche
Eifersüchtelei, die nur durch des wackern Blücher ruhiges Benehmen
im Zaume gehalten wurde. Endlich Napoleon selbst war wieder
mit dem Aufgebot von Frankreichs ganzer letzter Kraft auf dem Kriegs-
schauplatz erschienen, drängte die Armee der Verbündeten tief in's
Böhmergebirge und nach Schlesien zurück und nöthigte sie zu einem
Waffenstillstände auf mehrere Wochen. Das waren kummervolle
Nachrichten für die vielen kampfbegeisterten, freiheitssehnenden Herzen.
Sollten denn all die Opfer umsonst gebracht, all das edle Blut um-
sonst verspritzt sein? Sollte ein elender schimpflicher Friede geschlos-
sen und der alte Jammerftand auf's Neue befestigt werden? Es war
ja nicht möglich. Gott konnte das einmüthige Flehen der Hundert-
tausende nicht unerhört lassen. Er hatte angehoben zu segnen und zu
richten, er mußte sein Werk auch vollends hinaussühren. Und siehe,
er hat es gethan. Alle die Unfälle, die Fehler, die Zögerungen der
Verbündeten mußten unter dem Walten seiner allmächtigen Hand in
eben so viele Vortheile sich verwandeln. Die Ränke und Kniffe, durch
welche der französische Kaiser das Bündniß sprengen und sich den
Sieg sichern wollte, mußten am Ende zu seinem eignen Verderben aus-
schlagen. Mitte August war es, als alle Friedensunterhandlungen
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Extrahierte Personennamen: Napoleon Napoleon August
Extrahierte Ortsnamen: Deutschlands Frankreich Sachsen Sachsen Deutschland Finnland Norwegen Frankreichs